Haus Bethanien, Tagesstruktur

Zwischen Urlaubsgefühlen und Sehnsucht nach Arbeit

Wie erleben Menschen mit Behinderung die Corona-Krise? Ein Einblick ins Haus Bethanien in Königsfeld:
Frühstücken ohne Zeitdruck, Radieschen säen im Garten, Federball auf der Wiese: Die meisten Bewohner des Haus Bethanien in Königsfeld genießen die Auszeit, zu der sie wegen der Corona-Krise gezwungen sind. Kein klingelnder Wecker morgens 6.30 Uhr, keine Hektik, pünktlich mit dem Bus zur Arbeit in die Werkstatt für Menschen mit Behinderung nach Geithain zu fahren. Stattdessen darf nun jeder morgens nach seinem Rhythmus aufstehen. In kleinen Gruppen treffen sie sich am Vormittag zum Spielen, Basteln oder für eine Walkingrunde. „Die Atmosphäre ist entspannt, der Alltag scheint entschleunigt“, sagt Hausleiterin Katja Thomas. „Sicher spüren manche der 50 Bewohner Ängste oder Aggressionen. Unsere Mitarbeiter sind aufmerksam und konnten diejenigen beruhigend und deeskalierend auffangen.“

Zugleich hat sich der Personalbedarf im Haus Bethanien durch die Ausgangssperre erhöht. Die Bewohner werden nun rund um die Uhr in Königsfeld betreut. Das Mitarbeiterteam hat Verstärkung bekommen: Johannes Klemm und Stefan Winkler sind regulär als Schulbegleiter beim gleichen Träger, dem Diakonischen Werk Rochlitz, angestellt. Doch wegen der Schulschließungen können die beiden Männer derzeit nicht in diesem Bereich arbeiten, hätten in Kurzarbeit gegen müssen und freuen sich über die alternativen Aufgaben in der Wohnstätte.

Arbeiten können, gebraucht werden und etwas schaffen – auch einige Bewohner sehnen sich nach diesem Gefühl. Zum Glück gibt es auf dem Gelände der Wohnstätte verschiedene Angebote in der Ideenwerkstatt und der Kreativscheune sowie im Garten. Täglich bieten die Mitarbeiter drei Gruppen der internen Tagesstruktur. Die Bewohner haben zum Beispiel Osterkarten gestaltet und an ihre Angehörigen geschrieben. Sie haben gebacken und im Garten Gemüse angebaut. „Unser großes Außengelände mit Spielwiese und die ländliche Lage mit geringer Bevölkerungsdichte sind in dieser Situation sehr von Vorteil“, bemerkt Katja Thomas. „Zwar können wir derzeit keine Besucher ins Haus lassen, auch externe Therapien und das Musikprojekt müssen im Moment ausfallen. Doch die Bewohner dürfen sich im Garten und im Dorf frei bewegen. Auch ein Spaziergang mit den Angehörigen unter Einhaltung des Mindestabstandes ist möglich.“